UFFRUR! Die Protagonist*innen
Einsatz von Künstlicher Intelligenz

Künstliche Intelligenz im MuseumStorytelling als moderner Vermittlungsansatz

Darstellungen von Geschichte sind nie eine exakte Wiedergabe der Vergangenheit, sondern immer auch Konstruktion. So können auch unsere acht Protagonist*innen nur Interpretationen sein, die von unserer heutigen Vorstellungs- und Erfahrungswelt geprägt sind. 

Nun ist unser Ziel aber die Vermittlung von Geschichte, also das Verständlich-machen dessen, was fremd ist. In der Anwendung des Storytellings drückt sich dies häufig dadurch aus, dass die Figuren nicht in der Sprache vergangener Jahrhunderte zu den Besucher*innen sprechen, sondern in einer allgemein verständlichen Sprache. Dazu kommt oft, dass unbekannte und erklärungsbedürftige Begriffe durch Vergleiche mit heutigen Dingen und Phänomenen erläutert werden. Auch die Gestik und die Form emotionalen Ausdrucks sind in der Regel modern, obwohl die historischen Ausprägungen sicher ganz anders waren.

Die Große Landesausstellung 2024/25 geht einen Schritt weiter und bezieht auch die äußere Gestalt der historischen Persönlichkeiten in diese Überlegungen mit ein. So wie die historisch korrekte Sprache ist auch die Symbolik historisch korrekter Kleidung sowie die Ästhetik der Frisuren oder der Bart-Mode für die meisten Menschen heute nicht mehr begreifbar. Zum Beispiel wurde das Barett um 1500 auch unter Frauen zum modischen Accessoire. Aber was bedeutete das? Welcher „Dresscode“ sollte damit unterstützt oder untergraben werden? Was wollten die Barett-tragenden Frauen zum Ausdruck bringen? Dies zu vermitteln ist unser Ziel. Wir übersetzen und aktualisieren die Ästhetik von Kleidung und die Lebensweise des 16. Jahrhunderts in eine moderne Bildsprache. Dies ist zunächst ein aufwendiger, kuratorischer Prozess. Unsere acht Figuren sind also kreative Deutungen, die auf historischem Wissen basieren und dennoch Spielraum für Vorstellungskraft lassen.

Die Rolle von Künstlicher Intelligenz

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) stellt eine spannende Möglichkeit dar, das Potenzial moderner Technologien für die historische Darstellung zu nutzen. Solche Anwendungen sind dazu geeignet, gängige Vorstellungen zu überwinden und neue Perspektiven zu ermöglichen. Wir setzen KI als zeitgemäßes Mittel ein, um eine moderne Interpretation der Geschichte zu erzeugen und als solche sichtbar zu machen. KI ist hierbei jedoch nur eines von mehreren Werkzeugen bei der Kreation der historischen Figuren. Die eigentliche Denk- und Kreativleistung bei der Annäherung an die historischen Persönlichkeiten liegt in menschlicher Hand.

Unser Verfahren: Der Einsatz von KI-Bildgeneratoren

Basierend auf dieser inhaltlichen Arbeit formulieren wir die Anweisungen für die KI, die sogenannten Prompts. Wir verwenden eine Kette von KI-Bildgeneratoren, deren zentrales Element die Open-Source-Anwendung Stable Diffusion ist. Solche Modelle basieren auf „Deep Learning“, einer Form des maschinellen Lernens. Der Entstehungsprozess gestaltet sich dialogisch: Die KI generiert Bildvorschläge, die auf unseren Prompts beruhen. Durch die gezielte Steuerung und Anpassung dieser Prompts können die Vorschläge weiter präzisiert werden.

Das Ergebnis dieser Herangehensweise sind Kunstfiguren. Sie zeigen klar, dass es nicht um historische Genauigkeit geht, sondern darum, ihre besonderen Merkmale hervorzuheben. Sie sind keine Rekonstruktion, sondern eine moderne Interpretation mit historischem Vorbild. 

Da uns Transparenz wichtig ist, machen wir kenntlich, wo und wie Künstliche Intelligenz eingesetzt wurde. Für den Umgang und die Arbeit mit KI haben wir Leitlinien > formuliert.

Authentizität durch menschliche Stimmen und kuratierte Texte

Um den historischen Figuren eine glaubwürdige, persönliche Ebene zu geben, werden ihre Stimmen von professionellen Sprecher*innen eingesprochen, statt computergenerierte Stimmen in der Ausstellung zu verwenden. Die Dialoge und Monologe der Protagonist*innen wurden von unserem Kurator*innen- und Dramaturgen-Team inhaltlich erarbeitet und stilistisch auf die historische Epoche abgestimmt. Um den Besucher*innen einen nahbaren und emotionalen Zugang zu ermöglichen, wird der „künstliche“ Auftritt der Figuren somit durch real-menschliche Komponenten ergänzt.

Der Einsatz von KI wird derzeit im kulturellen Kontext diskutiert und erprobt. Nur durch die konkrete Anwendung können neue Erkenntnisse über die Möglichkeiten, Grenzen und Risiken von KI im Museum gewonnen werden.

Die 8 Protagonist*innenKI-Figuren in UFFRUR!

Götz von Berlichingen

Götz von Berlichingen, der Ritter mit der eisernen Hand, ist wahrscheinlich der bekannteste unter den Protagonist*innen der Ausstellung. Er war ein Ritter vom alten Schlag – kampflustig und den alten ritterlichen Tugenden verbunden. Mit der Welt, wie sie um das Jahr 1525 geworden war, konnte er sich vermutlich nicht anfreunden. In den Heeren der Fürsten galt die ritterliche Kampfweise nichts mehr. Und mit vielen seiner adligen Standesgenossen, die ihr Leben an den reichen Fürstenhöfen zubrachten, wollte er nichts mehr zu tun haben.

Hat er deshalb das Kommando über einen der Bauernhaufen übernommen und die Festung des Würzburger Bischofs belagert? Er hielt sich in dieser Frage sehr bedeckt - verständlich, nachdem die Bauern eine vernichtende Niederlage nach der anderen kassierten. In der Ausstellung „UFFRUR!” wird uns Götz als KI-Figur sicher mehr über seine Beweggründe erzählen.

Ein Mann in Rüstung und mit Schwert in der Hand. Die Figur wurde durch Künstliche Intelligenz erstellt.
Mithilfe von KI erstellt
Margarete Renner

Margarete Renner trat nicht erst durch ihre Beteiligung am Bauernkrieg 1525 öffentlich in Erscheinung. Mehrfach hatte sich die Witwe aus Böckingen bei Heilbronn in den Jahren zuvor gegen als ungerecht empfundene Zahlungen aufgelehnt. Immer wieder wandte sie sich dabei mit ihren Beschwerden an den Rat oder ihre Leibherren, jedoch ohne Erfolg. 

1525 begleitete sie schließlich den „Neckartaler Haufen” als Ratgeberin. Zeitgenössische Quellen berichten über ihre Teilnahme an Plünderungen und an der „Weinsberger Bluttat”. Die Darstellung seitens der Obrigkeit als rachsüchtige und blutrünstige Frau bescherte ihr – in Anlehnung an den Status ihres Mannes als Hofmann – den Beinamen „die Schwarze Hofmännin”. Ihre Leibherren setzten sich nach der Niederschlagung des Aufstands für die inhaftierte Margarete ein. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

Eine Frau in ärmlicher Kleidung und Tuch um den Kopf streckt wütend die geballte Faust in die Lust. Die Figur wurde durch Künstliche Intelligenz erstellt.
Mithilfe von KI erstellt

Georg III. Truchsess von Waldburg

Der Adelige Georg von Waldburg, auch bekannt als „Bauernjörg”, war der Hauptgegner der Bauern. Zuvor hatte er als Diplomat, Verwalter und Militär den größeren Mächten in Süddeutschland gedient, bis ihn der Schwäbische Bund mit der Niederschlagung der aufständischen Bauern beauftragte. Georg führte ein wachsendes Heer in das Bundesgebiet, zerschlug mehrere Bauernhaufen in diversen Schlachten, ließ Dörfer angreifen und zwang die Bauern nacheinander zur Unterwerfung. Wo nützlich, führte er Verhandlungen mit den Bauernanführern und zeigte sich kompromissbereit. Auf diese Weise setzte Georg 1525 dem bewaffneten Aufstand ein Ende.

Nach seinem Feldzug machte Georg seinen eigenen Untertanen mehr Zugeständnisse als zuvor, indem er beispielsweise den Freikauf aus der Leibeigenschaft ermöglichte. 

Jörg Ratgeb

Der Maler Jörg Ratgeb war in den Jahren vor dem Bauernkrieg Bürger Stuttgarts. Außer in der Württembergischen Residenzstadt war er an unterschiedlichen Orten tätig, unter anderem in Heilbronn und in Frankfurt am Main. Ein Hauptwerk Ratgebs ist z.B. der in der Staatsgalerie Stuttgart bewahrte Herrenberger Altar (um 1519). 

Im Bauernkrieg verhandelte Jörg Ratgeb zunächst im Namen der Stadt mit den Richtung Stuttgart vorrückenden Bauern. Zwischen Ende April und Mitte Mai 1525 war er Leiter einer Bauernkanzlei. Nach der Schlacht von Böblingen floh Ratgeb, wurde jedoch gefasst und 1526 wegen Hochverrats durch Vierteilen hingerichtet. 

Jakob Murer

Jakob Murer ist der Mann, dem wir die eindrücklichste Quelle der Ereignisse des Bauernkriegs verdanken. Er war Abt des Klosters Weißenau in der Nähe von Ravensburg. Als Abt war er auch Grundherr: Ihm gehörten die Ländereien des Klosters und auch die meisten der Bauern, die das Land bebauten – sie waren Leibeigene des Abtes. So wie anderswo hatten sich deshalb auch die Bauern der Weißenau gegen ihren Abt erhoben, die Abschaffung der Leibeigenschaft gefordert und das Kloster besetzt und geplündert. Murer und die anderen Ordensleute flohen nach Ravensburg, bis der Aufstand vorbei war.

In elf Federzeichnungen hielt Murer fest, wie der Aufstand seiner Bauern begonnen hat, wie sich die Bauern formiert hatten, wie sie das Kloster einnahmen, und wie sie schließlich, nachdem alles vorbei und die Bauern überall geschlagen waren, ihrem Abt und Herrn erneut den Treueeid leisteten. Die „Weißenauer Chronik” wird im Original in der Ausstellung in Bad Schussenried zu sehen sein!

Stefan Rahl

Einer der Bauern aus der Grundherrschaft der Abtei Weißenau war Stefan Rahl. Auch er hat sich mit den anderen Bauern der Weißenau gegen den Abt erhoben und wurde zu ihrem Anführer gemacht. Unter seinem Kommando kehrten die Bauern der Weißenau schließlich im März 1525 den Rücken und schlossen sich dem Baltringer Haufen an, um sich am allgemeinen „Uffrur” zu beteiligen.

Rahl war einer der vielen Bauern unter den Aufständischen, die keinesfalls am Hungertuch nagten: Er hatte vom Kloster einen großen Hof als Lehen verliehen bekommen und es vielleicht sogar zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Diesen konnte er aber als Leibeigener nicht vererben – der meiste Besitz der Bauern, sowie der Hof fielen nach dem Tod an den Grundherrn zurück. Daher ging es Rahl wie vielen anderen vor allem um Grundsätze wie mehr Teilhabe und Mitsprachrecht.

Sebastian Lotzer

Der Memminger Bürger Sebastian Lotzer spielte bei der Zusammenstellung der „12 Artikel” eine zentrale Rolle. Ursprünglich stammte er aus einer angesehenen Familie in Horb am Neckar. Sebastian erlernte – anders als seine studierten Brüder – vermutlich das Handwerk des Kürschners und engagierte sich dann vor allem als Laienprediger und Autor für die Reformation. Mit Flugschriften und teils auch provokativen Aktionen im Stadtraum trug Lotzer zur Verbreitung der evangelischen Lehre in Memmingen bei. 

Als wortgewaltiger, bibelkundiger Laientheologe wurde er vom Baltringer Haufen als Schreiber engagiert und brachte im Rahmen der Memminger Versammlung die Forderungen der Bauern auf den Punkt. Sebastian Lotzer floh Ende April 1525 nach St. Gallen in der Schweiz. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. 

Magdalena Scherer

Magdalena Scherer aus Stuttgart fiel 1525 gleich mehrfach durch außergewöhnliche Protestformen auf: Als der vertriebene Herzog Ulrich – der sich mit den Aufständischen zusammenschließen wollte – vor den Toren Stuttgarts lagerte, ermutigte sie verschiedene Frauen, mit ihr gemeinsam von der Stadtmauer aus die Belagerer anzufeuern. Als kurz darauf die Bauern Stuttgart einnahmen, verspottete sie deren Gegner, den Schwäbischen Bund. Magdalena floh, durfte aber zurückkehren – gegen eine Reihe harter Auflagen.

Wer war nun diese Magdalena Scherer? Mit Sicherheit eine Frau, die Menschen begeistern und mitreißen konnte, wie ihr Protest zeigt.